Rainer Semet

Russlands Ziele in Afrika - Eine Analyse

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Russlands Ziele in Afrika lassen sich am besten verstehen, wenn man die historischen Hintergründe des Zarenreiches und der Sowjetunion berücksichtigt. Sie ähneln den Zielen Russlands im Kaukasus, im Baltikum, in Polen oder der Ukraine, da sie auf wirtschaftliche Ausbeutung durch politische Einflussnahme abzielen. Dennoch gibt es einen eklatanten Unterschied zwischen der russischen Einflussnahme in Osteuropa sowie jener aktuell in Afrika. Russland zielt nicht darauf ab, afrikanische Länder zu besetzen oder zu annektieren. Vielmehr geht es dem russischen Staat in Afrika um wirtschaftliche Eigeninteressen sowie um politische Einflussnahme in diesen Ländern.

 

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat insbesondere die Länder des afrikanischen Kontinents in eine schwere Hungerkrise gestürzt[1]. Als weltweit wichtigster Getreideexporteur und Lieferant, sicherte die Ukraine Millionen Menschen die Ernährung. Eine Versorgung, die nun spürbar weggefallen ist.

 

Dennoch findet auf internationaler Ebene bislang kaum eine Reflexion der Ziele Russlands in Afrika, vor allem im Vergleich zum aktuellen Vorgehen in der Ukraine, statt. Bei der UN-Vollversammlung im März 2022, die den russischen Angriff auf die Ukraine verurteilte und Russland aufforderte, seine Truppen abzuziehen, enthielten sich 17 afrikanische Länder, Eritrea stimmte dagegen. Ein Jahr später stimmte auch Mali gegen eine UN-Resolution gegen Russland, ein Zeichen für die wachsende Einflussnahme in dem Land.

 

Ein Mittel Russlands, Einfluss in Afrika zu gewinnen, besteht darin, antiwestliche Ressentiments anzufachen, die aufgrund der kolonialen Geschichte in Afrika bereits vorhanden sind. Das Leid, das viele Länder Afrikas als Kolonien europäischer Länder erfahren haben, sitzt noch tief im gesellschaftlichen Gedächtnis. Dass der Westen nach wie vor so vorgehe, ist eine der vielen Anschuldigungen seitens Russlands. Diese Unterstellungen sollen die Zusammenarbeit zwischen Europa und den Staaten Afrikas erschweren, leider gelingt dies häufig. Dabei weist die aktuelle russische Einflussnahme auf dem afrikanischen Kontinent selbst koloniale Grundzüge auf.

 

So hat der russische Staat beispielsweise wenig Interesse an einer Demokratisierung afrikanischer Länder. Im Gegenteil, Russland profitiert von inneren Unruhen in Afrika, um beispielsweise Waffenexporte in afrikanische Länder auszudehnen. Eine besondere Rolle spielt hierbei die Söldner-Gruppe Wagner. Obwohl die russische Regierung Verbindungen zur Gruppe Wagner leugnet, ermöglicht diese Russland durch militärische und wirtschaftliche Aktivitäten den Einflussgewinn in Afrika. Es ist bekannt, dass die Wagner-Gruppe tief mit vielen afrikanischen Regierungen oder Militärgruppierungen vernetzt ist, populärstes Beispiel ist der Sudan.[2] 

 

Dabei spielt die pro-russische Haltung der Regierungen oder nach Macht strebenden Gruppen eine entscheidende Rolle. Das Bild von Russland in Afrika wird durch die Zusammenarbeit der Gruppe Wagner mit den einheimischen Regierungen geprägt. Öffentlich wird es so dargestellt, als würde die Gruppe Wagner sich im Kampf gegen den Terrorismus und Islamismus engagieren, was europäischen Ländern wie etwa Frankreich nicht gelinge. Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen seitens Prigoschins Söldnertruppe gegen Zivilisten werden dabei von vielen afrikanischen Regierungen ignoriert.

 

Im Gegenzug für militärische Hilfe erhalten die mit der Gruppe Wagner verbundene Unternehmen (und so auch indirekt Russland) Zugang zu Rohstoffen wie Gold, Diamanten oder Uran. Die wichtigsten wirtschaftlichen Partner sind die Zentralafrikanische Republik und der Sudan. Obwohl Russland in der offiziellen Handelsstatistik nur einen geringen Anteil als wirtschaftlicher Partner der afrikanischen Länder ausmacht, kontrolliert es doch strategisch wichtige Bereiche wie Rüstung, Energie und Bergbau in vielen Ländern. Besonders relevant ist dies aktuell angesichts der westlichen Sanktionen gegen Russland, die in Afrika keinen Effekt haben.  

 

Neben wirtschaftlichen Zielen verfolgt Russland auch militärische Ziele in Afrika. Es ist für den Kreml vor allem strategisch wichtig, Einfluss in Nordafrika, insbesondere in Libyen, Algerien oder Ägypten, also an der Südflanke der NATO, zu gewinnen.

 

In den meisten afrikanischen Ländern herrscht die falsche Annahme, dass Russland an der Sicherheit und am Wohlstand Afrikas interessiert ist. Tatsächlich besteht das eigentliche Interesse von Putin darin, Afrika, insbesondere strategisch wichtige Länder wie Libyen oder Länder mit reichen Rohstoffvorkommen wie die Zentralafrikanische Republik, in die Einflusssphäre Russlands einzubinden oder unter Kontrolle zu behalten. Für diese Zwecke benötigt Russland weder Demokratie noch transparente wirtschaftliche Entwicklung in Afrika. Im Gegenteil, Russland versucht, wie bereits erwähnt, die afrikanischen Länder durch Verweis auf die koloniale Vergangenheit und Schüren von antiwestlichen Ressentiments blind für die Ausbeutung zu machen, der sie zunehmend ausgesetzt sind.

 

Es sollte daher sehr in unserem Interesse liegen, weiterhin eng mit den Ländern Afrikas zusammenzuarbeiten und Aufklärung, Bildung sowie Demokratisierung voranzutreiben. Uns Freien Demokraten ist dabei klar: wir unterstützen ausschließlich Regierungen und Gruppierungen, die freiheitlich demokratisch agieren. Wichtig ist dabei, dass wir im Blick behalten, wer sich an diesen Werten orientiert und wer diese aus den Augen verloren hat. Denn wir dürfen und werden das Feld nicht autokratischen Staaten überlassen, die nur aus Eigeninteressen handeln. 

 

Ihr

Rainer Semet

 

[1] Vgl. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/lebensmittelpreise-fao-ukrainekrieg-afrika-mittlererosten-naherosten-101.html

[2] Vgl. https://www.zdf.de/nachrichten/zdfheute-live/wagner-gruppe-soeldner-weltweit-video-100.html