Rede im Deutschen Bundestag zum Friedensprozess in Äthiopien
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Freiheit und Menschenrechte sind das Fundament jeder intakten Gesellschaft. Ich denke, unser aller Wunsch ist es, dass Menschen überall sicher, frei und selbstbestimmt leben können. In Tigray zeigt sich: Unter Vermittlung von internationalen und regionalen Organisationen kann Frieden entstehen.
Ich freue mich sehr, dass sich die Konfliktparteien im November 2022 auf ein Abkommen einigen konnten, ein Abkommen, das eine anhaltende Waffenruhe und Zugang zu humanitärer Hilfe enthält. Es fordert auch die Aufarbeitung der schlimmen Menschenrechtsverletzungen auf beiden Seiten. Die Unterzeichnung kann aber nur ein Schritt sein. Jetzt geht es darum, das Abkommen ernsthaft und nachhaltig umzusetzen.
Alle Akteure vor Ort und international tragen hierfür gemeinsam Verantwortung. Die Regierungen Deutschlands und Frankreichs haben maßgeblich dazu beigetragen, dass dieser Weg geebnet wurde. Die Vermittlung der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union brauchen wir auch weiterhin unbedingt. Wir halten unsere Unterstützung deshalb aufrecht und bleiben im engen Austausch mit allen Beteiligten genau wie mit der regionalen Wirtschaftsgemeinschaft IGAD und allen beteiligten UN-Organisationen.
Fast zwei Jahre haben die Zentralregierung und eritreische Truppen die Konfliktregion blockiert. Das Ausmaß der humanitären Katastrophe kann man noch gar nicht überblicken. Die Vereinten Nationen schätzen, dass 4,2 Millionen Menschen innerhalb des Landes fliehen mussten und ein Fünftel der Bevölkerung auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen ist. Als internationale Gemeinschaft ist es unsere Pflicht, hier unkompliziert zu helfen und das Leid und den Hunger zu beenden.
Aber das allein reicht nicht aus, der Blick muss auch nach vorne gehen. Alle ethnischen Gruppen brauchen echte Perspektiven, damit der Konflikt nicht wieder ausbricht. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass Äthiopien wirtschaftlich stabiler wird. Dazu brauchen wir eine Strategie, die lautet: Raus aus der Verschuldung. Vor allem aber braucht Äthiopien echte Entwicklungsperspektiven; denn wir wissen doch: Die Aussicht auf ein selbst bestimmtes Leben in Freiheit und Sicherheit ist Motor für anhaltenden Frieden.
Die Umsetzung des Friedensabkommens ist unabdingbare Voraussetzung. Deshalb ist es richtig, dass wir die Reformen unterstützen, aber auch, dass wir nur finanzieren, wenn das Abkommen ernsthaft umgesetzt wird. Diese Woche haben wir hier schon das Mandat für den Einsatz im Mittelmeer verlängert, haben wir über die Evakuierungsmission im Sudan abgestimmt und werden uns morgen mit dem Einsatz der Bundeswehr in Niger befassen. Wir sind also auf vielerlei Art und Weise aktiv in dieser Region. China und Russland können wir aber bei keiner dieser Regionen und Aktionen ignorieren. Der Einfluss der beiden ist dafür zu stark – der Einfluss Russlands als angebliche Schutzmacht, aber auch der Einfluss Chinas als Wirtschaftsmacht, die ganz eindeutige Interessen formuliert, die nicht immer im Interesse der Länder sind, wo sie nachher umgesetzt werden.
Ständig beschäftigt uns natürlich auch die Frage: Wie können wir den Staaten in Afrika eine echte politische Alternative zu Autokratien bieten? Wir können kein Ver trauen von den afrikanischen Staaten erwarten, solange wir nicht überzeugend um sie geworben haben und keine entsprechenden Angebote machen.
Unterstützen wir Äthiopien auf seinem Weg zu Freiheit und Menschenrechten. Sie sind das Fundament jeder intakten Gesellschaft. Begleiten wir dieses Land mit seinen 120 Millionen Einwohnern in eine bessere, friedlichere Zukunft. Begreifen wir die strategische Bedeutung von Frieden und Stabilität in Tigray für Äthiopien und für die gesamte Region um das Horn von Afrika. Ich persönlich halte – da bin ich nicht allein in diesem Haus – eine nachhaltige wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Ländern Afrikas für eine wichtige Aufgabe.
Gewinnen wir das Vertrauen, indem wir ihnen zeigen, dass wir da sind, dass wir zuhören, dass wir präsent sind, dass wir nicht als Lehrmeister kommen, sondern als echte verlässliche Partner.
Gewinnen wir das Vertrauen, indem wir vor allem auch regionale Organisationen und Akteure stärken. Sie wissen am besten, welche Maßnahmen der Zusammenarbeit am nötigsten sind und den größten Erfolg versprechen. Seien wir dadurch der attraktivere Partner im Vergleich zu Russland und China. Ich bitte Sie um breite Zustimmung zu diesem Antrag.