Rainer Semet

Mein Statement zu den Protesten im Iran

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Parteifreunde und liberalen Mitstreiter,

mehrere Tausend E-Mails haben mich in weniger als einer Woche erreicht. Jede von ihnen enthält denselben Text mit der Aufforderung an mich als Politiker, jetzt Maßnahmen zur Unterstützung der Menschen im Iran zu ergreifen. Nicht wegzusehen. 

Allen, die mir geschrieben haben, kann ich versichern: Ich habe verstanden. 

Die 22-Jährige Jina Mahsa Amini, die ihr ganzes Leben noch vor sich hatte, wurde von der iranischen „Sittenpolizei“ festgenommen und starb in Gewahrsam der Sicherheitsbehörden. Die junge Frau verlor ihre Freiheit und letztlich auch ihr Leben, und das alles nur, weil Sie ihr islamisches Kopftuch entsprechend vermeintlicher sittenpolizeilicher Regeln getragen habe.

Das iranische Regime tritt Menschenrechte mit Füßen und unterdrückt die eigene Bevölkerung ohne Rücksicht auf Verluste. Die seit Jahren steigende Zahl von Hinrichtungen und Folter im Iran und die Vollstreckung der Todesstrafe auch an Minderjährigen sind Beispiele für die Skrupellosigkeit des Mullah-Regimes, das sich mit aller Kraft an seine Macht klammert.

Umso mehr beeindruckt uns der Mut, mit dem die tapferen Frauen und Männer seit Mitte September gegen das Regime protestieren und dabei für den Kampf für Menschenrechte und Freiheit ihr Leben riskieren. Tausende wurden seitdem verhaftet, Hunderte verletzt oder sogar getötet. Ihr Mut erweckt die Hoffnung, dass der Zusammenbruch der Schreckensherrschaft der Islamischen Republik möglich ist.

Unsere Partei trägt die Freiheit im Namen. Wir stehen an der Seite jedes einzelnen Menschen, der von solch menschenfeindlichen Regimes unterdrückt wird und für seine Freiheit kämpft. In einem offenen Brief an den iranischen Botschafter in Deutschland vom 27.09.2022 haben wir uns als FDP-Bundestagsfraktion für ein Ende des Hijab-Gesetzes eingesetzt und gefordert, endlich die systematische Unterdrückung der Frauen im Iran zu beenden. Auch die Aktuelle Stunde des Deutschen Bundestages zu den Protesten im Iran am 29. September ging auf eine Initiative unserer Fraktion zurück. Unser Generalsekretär, Bijan Djir-Sarai, hat dabei unsere Unterstützung für die mutigen Demonstrantinnen und Demonstranten bekräftigt und mit klaren Worten eine neue Iran-Strategie gefordert.

Die volle Rede von Bijan Djir-Sarai im Plenum des Deutschen Bundestags können Sie sich hier ansehen: https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7546494#url=L21lZGlhdGhla292ZXJsYXk/dmlkZW9pZD03NTQ2NDk0&mod=mediathek

In unserer Iran-Politik gibt es kein „Weiter so“. Deutschland ist genau wie die Europäische Union viel zu lange mit dem Iran einen naiven Kuschelkurs gefahren. Solange das Mullah-Regime an der Macht ist, müssen wir das Land endlich als das benennen, was es ist: Ein Feind unseres von Freiheit und Menschenrechten geprägten Wertesystems. 

Konkret heißt das, dass wir die Verantwortlichen für die gewaltsame Unterdrückung zur Rechenschaft ziehen müssen. Zukünftige Sanktionen müssen zielgenau das iranische Regime und einzelne Sicherheitsbehörden treffen, nicht die iranische Zivilbevölkerung. Das Stichwort lautet: Im großen Maßstab personenbezogene Sanktionen gegen die Führung des Landes und alle, die von dem System profitieren. 

Wenn die iranischen Sicherheitsbehörden den Menschen den Zugang zum Internet blockieren und dadurch die Koordinierung der Proteste erschweren, müssen wir auf europäischer Ebene Lösungen prüfen, eine eigene VPN-Infrastruktur bereitzustellen, um die Demonstrantinnen und Demonstranten zu unterstützen. Zudem müssen alle brutalen Akte der Sicherheitsbehörden gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten lückenlos aufgeklärt werden.

Schließlich sollten wir auch hinterfragen, wie sinnvoll eine Fortsetzung des Atomabkommens mit dem Iran vor diesem Hintergrund noch sein kann. Die Verhandlungen mit einem Regime fortzusetzen, was jeden Rückhalt der Bevölkerung verloren hat, ist für uns hochgradig problematisch.

Eine Fortsetzung der Verhandlungen scheint nur denkbar, wenn zugleich die eklatanten Menschenrechtsverletzungen und die destabilisierende Rolle des Iran in der Region als gleichwertige Themen auf dem Tisch liegen. Die Islamische Republik bedroht mit ihrer Außenpolitik nicht nur die Sicherheit unseres Partners Israel. Sie ist darüber hinaus ein Sicherheitsrisiko für den gesamten Nahen und Mittleren Osten und hemmt diesen in seiner Entwicklung. Wenn es noch einen Beweis für die moralische Verkommenheit der iranischen Führung gebraucht hat, ist sie mit der Lieferung von Kamikaze-Drohnen an Russland gegeben, die in Kyiv unschuldige Zivilisten töten.

Das Regime wird weiter mit aller Härte seine eigenen Interessen verfolgen, um an der Macht zu bleiben. Die Freiheit im Iran liegt in den Händen mutiger Menschen, die täglich ihr Leben riskieren. Auf ihren Schultern ruht die Hoffnung auf eine bessere Zukunft - in Iran, im Nahen und Mittleren Osten und auf der ganzen Welt. Unsere Unterstützung, unsere Stimme können sie dabei zählen. Die Freiheit gehört immer und überall verteidigt!

Ihr und Euer
Rainer Semet MdB