Hilfe für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, Schritte zu einer unabhängigeren Energieversorgung: Beschlüsse des Bund-Länder-Treffens vom 17. März
Der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten der Länder sind am Donnerstag, den 17. März zu einer Ministerpräsidentenkonferenz zusammengekommen. Durch den Angriffskrieg des russischen Präsidenten Putin gegen die Ukraine und die damit verbundene humanitäre Krise und die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine steht Deutschland vor einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe. Deutschland ist sich dieser Verantwortung bewusst und handelt schnell, unkompliziert und umfassend.
Folgende Beschlüsse haben der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bei dem Treffen am Donnerstag gefasst.
- Bund und Länder verurteilen den Angriffskrieg des russischen Präsidenten Putin gegen die Ukraine auf das Schärfste. Er ist ein eklatanter Bruch des Völkerrechts und ein Angriff auf die europäische Friedensordnung sowie auf Freiheit und Demokratie. Die überwältigende Mehrheit der Staatengemeinschaft steht solidarisch an der Seite der Ukraine. Bund und Länder fordern Putin und die Russische Föderation auf, sofort jegliche Angriffshandlungen einzustellen und die russische Armee aus der Ukraine zurückzuziehen.
- Bund und Länder verurteilen gezielte verbreitete Desinformationen der russischen Regierung. Sie bitten die russischsprachigen Menschen in Deutschland, sich umfassend in den verschiedenen nationalen und internationalen Medien zu informieren. Niemand sollte der Desinformationskampagne der russischen Staatsmedien mit ihren zynischen und verharmlosenden Darstellungen Glauben schenken. Journalistinnen und Journalisten werden in Russland verfolgt. Der Mut russischer Journalistinnen und Journalisten und vieler Bürgerinnen und Bürger, die trotz der eingeschränkten Pressefreiheit offen und im Wissen um die für sie gefährlichen Folgen auf den Straßen und in den sozialen Medien gegen das Regime Putin zu demonstrieren, ist bewundernswert.
- Bund und Länder betonen in aller Deutlichkeit, dass es keinerlei Rechtfertigung dafür gibt, Mitbürgerinnen oder Mitbürger die aus Russland stammen oder Russisch sprechen, zu beschuldigen, zu beleidigen oder gar körperlich anzugreifen. Das staatliche Sicherheitsversprechen gilt unterschiedslos für alle Menschen in Deutschland. Wir sind eine friedliebende Gesellschaft und werden es bleiben.
- Die internationale Staatengemeinschaft und die Europäische Union haben ein umfassendes Sanktionsregime in Kraft gesetzt, um mit größtmöglichem wirtschaftlichen Druck den Krieg schnellstmöglich zu beenden. Bund und Länder stehen weiteren erforderlichen Sanktionen offen gegenüber.
- Vor dem Krieg in der Ukraine befinden sich aktuell Millionen von Menschen auf der Flucht. Die meisten sind Frauen und Kinder. Der BK und die RC der Länder sind sich einig, dass ihnen schnell und möglichst unbürokratisch Zuflucht und Unterstützung gewährt werden muss. Dies geschieht in den unmittelbaren Nachbarstaaten, in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Betroffenen sollen Schutz, Geborgenheit und zumindest temporär eine neue Heimat finden.
- Die meisten Geflüchteten aus der Ukraine können sich frei in der Europäischen Union bewegen, da sie für 90 Tage visumfrei in die EU einreisen können.
- Bund und Länder sprechen ihren allergrößten Dank an die vielen ehren- und hauptamtlichen Helfenden für ihren unermüdlichen Einsatz aus. Die Zivilgesellschaft zeigt eine überwältigende Kultur der Hilfsbereitschaft und Solidarität auch bei der Unterbringung. Zusammen mit Bund und Ländern lindern sie das Leid der in Deutschland ankommenden Geflüchteten und leisten im wahrsten Sinne des Wortes Überlebenshilfe. Sie bilden herausragende Beispiele einer lebendigen Zivilgesellschaft.
- Bund und Länder halten es für unerlässlich, die Ankommenden rasch und unkompliziert zu registrieren. Bund und Länder werden die Registrierung derjenigen, die in Deutschland bleiben, im Ausländerzentralregister sicherstellen. Sie werden gemeinsam daran arbeiten, die Registrierungsverfahren zu beschleunigen. Bund und Länder stehen mit den Kommunen in einer Verantwortungsgemeinschaft. Um einen zielgerichteten und effektiven Schutz derjenigen, die vor dem russischen Angriffskrieg aus der Ukraine flüchten, zu gewährleisten, trifft der Bund Vorkehrungen, um ein missbräuchliches Ausnutzen der aktuellen Krisensituation durch andere zu verhindern.
- Um eine zügige und leistungsgerechte Verteilung der angekommenen Geflüchteten in Deutschland zu erreichen, wird der Bund in enger Abstimmung mit den Ländern die Zuweisung der Ankommenden zu aufnahmebereiten Einrichtungen in ganz Deutschland koordinieren. Der Bund wird umfassende Lageberichte und technische Unterstützung bereitstellen. Erforderliche Abstimmungen zu Fragen der praktischen Umsetzung sollen insbesondere über die Bund-Länder-Koordinierungsstelle Ukraine im Bundesministerium des Innern und für Heimat vorgenommen werden.
- Bund und Länder wollen alle ihre zur Verfügung stehenden Kräfte bündeln, um den Geflüchteten die notwendige Hilfe zu bieten und sie von Anfang an und auf allen Ebenen gut zu integrieren. Aus diesem Grund werden die bestehenden Integrationsmaßnahmen (beispielsweise Integrations- und berufsbezogene Deutschsprachkurse) für sie geöffnet. Ein zentrales Erfolgskriterium bei der Arbeitsmarktintegration ist der zeitnahe Zugang der Geflüchteten zu kostenfreien Sprachkursen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.
- Die fliehenden Menschen aus der Ukraine unkompliziert eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland. Diese Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ermöglicht es den Vertriebenen aus der Ukraine, unmittelbar eine Arbeit in Deutschland aufzunehmen. Die Agenturen für Arbeit sollen beraten, vermitteln und weitere Leistungen der aktiven Arbeitsförderung bieten. Der Bund passt die vielfältigen Programme und Angebote an, die sich mit Spracherwerb, Aufnahme von Erwerbsarbeit, Kinderbetreuung und Beratung von Geflüchteten und ihren Familien beschäftigen. Die bestehenden Angebote werden auf einem zentralen Hilfeportal „Germany 4 Ukraine“ (www.germany4ukraine.de) zusammenfasst – auch in ukrainischer und russischer Sprache.
- Bund und Länder begrüßen die Anstrengungen der Kultusministerkonferenz, ukrainische Kinder und Jugendliche schnell in die Schulen und Hochschulen aufnehmen und die schulpsychologische Beratung und Begleitung sicherzustellen. Auch der Zugang der Kinder zu Kindertagesbetreuungsangeboten soll zügig ermöglicht werden. Auch hier werden die Länder alle Anstrengungen unternehmen, um Kindern Bildungschancen zu eröffnen und den Erwachsenen eine zuverlässige Betreuung ihrer Kinder und den Besuch von Integrationskursen zu ermöglichen. Die Versorgung und der Schutz für Waisenkinder und ihre Betreuerinnen und Betreuer sowie unbegleitete und begleitete Minderjährige wird sichergestellt.
- Für die ältere Generation der Kriegsflüchtlinge müssen Alten- und Pflegeheime gefunden werden. Ferner müssen den großen Gruppen von hilfebedürftigen Geflüchteten (z. B. Menschen mit Behinderungen) geeignete Angebote bereitgestellt werden. Maßnahmen zum Schutz geflüchteter Frauen und Kindern vor Gewalt werden im Hinblick auf die Situation der aus der Ukraine vertriebenen Menschen angepasst und, wo erforderlich, erweitert. Bund und Länder arbeiten eng zusammen, um Menschenhandel und Zwangsprostitution an Geflüchteten zu verhindern.
- Für die Schutzsuchenden besteht Anspruch auf Gesundheitsleistungen, darunter die erforderliche ärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln. Hierunter kann auch eine psychische Behandlung fallen. Viele Länder haben bereits Verträge mit den gesetzlichen Krankenkassen geschlossen, um diese mit der Betreuung zu beauftragen. In diesen Fällen wird eine elektronische Gesundheitskarte ausgegeben.
- In Hinblick auf die Eindämmung der Corona-Pandemie besteht für diejenigen, die aus der Ukraine nach Deutschland kommen, die Möglichkeit einen entsprechenden Test durchzuführen. Zudem besteht ein Anspruch auf die Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 und auf Ausstellung eines digitalen COVID-Impfzertifikats der EU. Die entsprechenden Informationen werden auch auf Ukrainisch verfügbar gemacht.
- Zur Behandlung von Erkrankten und Verletzten aus der Ukraine in Krankenhäusern koordiniert im Rahmen der eingeübten Verfahren („Kleeblattverfahren“) das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe mit dem Gemeinsamen Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern entsprechende Hilfeersuchen aus der Ukraine und den Anrainerstaaten. Die Patientinnen und Patienten werden in den eingeübten Verfahren auf Krankenhäuser in Deutschland verteilt.
- Der BK und die RC der Länder danken den Kommunen für die große Aufnahmebereitschaft und Hilfsbereitschaft. Die Unterbringung, Verpflegung und Betreuung der Flüchtlinge und Vertriebenen aus der Ukraine sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Der Bund wird Abweichungen von bauplanungsrechtlichen Standards lagebedingt ermöglichen.
- Der Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine sowie die ergriffenen und gegebenenfalls weiter zu verschärfenden Sanktionen haben auch Auswirkungen auf die Situation der Unternehmen in unserem Land. Nach den pandemiebedingten Einschränkungen der vergangenen zwei Jahre stehen viele von ihnen nun vor neuen, zum Teil zusätzlichen gravierenden Herausforderungen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz wird ein Kreditsofortprogramm für betroffene deutsche Firmen auflegen. Insbesondere für diejenigen Unternehmen die durch eine starke wirtschaftliche Verflechtung mit dem russischen und ukrainischen Markt vor substanziellen Problemen stehen. Außerdem werden Unterstützungsleistungen für Unternehmen geprüft, die von Lieferengpässen und in der Folge von Arbeitsausfällen oder von gestiegenen Rohstoff- oder Energiepreisen betroffen sind. Das gilt vor allem für die energieintensive Industrie sowie für Unternehmen, denen mit den Sanktionen die Grundlage für ihr Geschäft genommen worden ist.
- Bund und Länder stimmen darüber ein, dass es weiter notwendig bleibt, die Krisenfestigkeit Deutschlands zu stärken. Dazu gehören eine strategische Stärkung und Fortentwicklung des Bevölkerungsschutzes. Die Innenministerkonferenz wird gebeten, sich zeitnah der Thematik anzunehmen und gegenüber der Ministerpräsidentenkonferenz zu berichten.
- Angesichts der bestehenden IT-Bedrohungslage werden Bund und Länder alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um auch im Cyberraum einen bestmöglichen Schutz von Gesellschaft und Wirtschaft zu gewährleisten. Das betrifft insbesondere die Kritischen Infrastrukturen sowie die öffentliche Verwaltung. Bund und Länder appellieren an die Wirtschaft und insbesondere an alle KRITIS Unternehmen, sich ihrer Abwehrfähigkeit zu versichern und die Warnhinweise der zuständigen Behörden ernst zu nehmen und umzusetzen. Deutschland muss sich vor solchen Aggressionen konsequenter schützen und entschlossener reagieren. Deshalb werden die Länder die Cyberabwehr stärken. Das gilt sowohl für den Schutz staatlicher Einrichtungen als auch von Einrichtungen der kritischen Infrastruktur in privater Hand. Zu diesem Schutz kann aus Sicht der Länder letztlich auch die Möglichkeit einer aktiven Cyberabwehr gehören.
- Die sichere und bezahlbare Versorgung mit Energie zu international wettbewerbsfähigen Preisen ist von existenzieller Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des Wirtschafts- und Industriestandortes Deutschland – und auch im Leben jeder einzelnen Bürgerin und jedes einzelnen Bürgers. Die aktuellen Entwicklungen verstärken die schwierige Lage auf den bereits zuvor angespannten Energiemärkten. Sie zeigen das überragende sicherheitspolitische Interesse Deutschlands an einer stärkeren Unabhängigkeit von Energie-Importen.
Bund und Länder stimmen überein, dass aufgrund der aktuellen Krisensituation die Anstrengungen für einen schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien verstärkt und beschleunigt werden müssen, um Deutschlands Abhängigkeit von anderen Ländern zu mindern, seine eigene Energieversorgungssicherheit zu stärken und ein aktives Zeichen gegen die völkerrechtswidrige Aggression Russlands zu setzen. Vor allem sind Alternativen zu prüfen, um Deutschland schnellstmöglich unabhängiger vom Import russischer Energieträger zu machen.
Ferner ist es notwendig, die Energieimporte nach Deutschland zu diversifizieren und eine ausreichende Bevorratung der Energieträger sicherzustellen. Auch die Beschaffung von Flüssiggas (LNG) und der Ausbau der hierfür notwendigen Infrastruktur gehört dazu. Bund und Länder werden dafür sorgen, dass die dafür nötigen Planungen und Genehmigungen beschleunigt werden. Sie werden die entsprechenden Rechtsänderungen vorantreiben. Zur Sicherung der Versorgung mit Mineralölprodukten werden Bund und Länder Hafen-, Lager- und Transportkapazitäten ausbauen.
- Die Auswirkungen der Krise belasten die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland ebenso wie die Unternehmen auch finanziell, etwa aufgrund der gestiegenen Energiepreise. Die Bundesregierung hat erste Schritte unternommen, um die Belastungen, insbesondere aus dem stetigen Anstieg der Energiepreise abzumildern. Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder stimmen darin überein, dass voraussichtlich weitere Anstrengungen erforderlich sind, um die Steigerung der Energiepreise zu bremsen und Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen zu entlasten. Dazu werden sich Bund und Länder zeitnah abstimmen.
- Bund und Ländern kommen wöchentlich in der Bund-Länder-Koordinierungsstelle Ukraine unter der Federführung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat zusammen, um sich über die aus dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine resultierenden Herausforderungen für die Ankommenden in Deutschland auszutauschen.